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Oskar Hacker

Im Jahr 1922 gründete der damals 24-jährige frisch gebackene Diplom-Ingenieur Oskar Hacker seine erste – allerdings kurzlebige – Firma, die „BISON-Motorradfabrik G.m.b.H.“ in Wien-Liesing.

Der nächste Schritt in Hackers Karriere war eine Anstellung als Ingenieur bei Austro-Daimler; nach dem Abgang von Karl Rabe, dem Nachfolger Ferdinand Porsches, avancierte Hacker 1931/32 zum Chefkonstrukteur. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte die Entwicklung von Militärfahrzeugen mit zwei angetriebenen Hinterachsen sowie von Radpanzern mit Allradantrieb und Kettenfahrzeugen mit hybrider Auslegung, z.B. die Austro-Daimler Motor-Karette „Mulus“. (Vgl. Abschnitt „Vorläufer und Nachfolger“) Diese Fahrzeuge wurden seit Anfang der Dreißigerjahre zunächst in Wiener Neustadt gebaut, nach der Fusion der Austro-Daimler-Puchwerke A.G. mit der Steyr-Werke A.G. zur nunmehrigen Steyr-Daimler-Puch A.G. (1934) in Steyr, jedoch weiter unter dem Namen Austro-Daimler.

Ratgeber „Panne unterwegs“ von Oskar Hacker (1932)

Ratgeber "Panne unterwegs" von Oskar Hacker (1932)
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1937 bereits stellvertretender Direktor der Steyr-Daimler-Puch A.G., wurde Hacker nach dem „Anschluss“ Österreichs – ohne Parteimitglied der NSDAP zu sein! – in den Vorstand der Steyr-Daimler-Puch A.G. bzw. des neu gegründeten „Nibelungenwerks“ (Tarnname „Spielwarenfabrik“) in St. Valentin berufen.

Oskar Hacker

Dipl.-Ing. Oskar Hacker (Bildmitte) im Gespräch mit Wehrmachtsoffizieren
(Bild: Bilddokumentation „Das Nibelungenwerk 1939–1945“)

Nach der Übernahme des damaligen Österreichischen Bundesheeres in die Deutsche Wehrmacht musste die von Hacker konstruierte Austro-Daimler Motor-Karette „Mulus“ zu einem Personentransporter mit größerem Fassungsvermögen umkonstruiert werden. Während des Zweiten Weltkriegs setzte sich Hacker mit seiner Konstruktion des „Raupenschlepper OST“ (RSO), der überdies in kürzester Zeit entwickelt worden war, gegen alle Konkurrenz durch. In seiner Vorstandsfunktion im Nibelungenwerk, das zur Steyr-Daimler-Puch AG gehörte, zeichnete Hacker nicht nur für die Entwicklung, sondern auch für die Produktion des Raupenschleppers OST verantwortlich. 1940/41 war Hacker eng in die Planungen Porsches für den Panzer „Typ 100“ vulgo „Leopard“ eingebunden, wobei er an einem luftgekühlten Dieselmotor für diesen Panzer arbeitete; Hacker begleitete Porsche auch zu allen wichtigen Besprechungen. (Die Entwicklung wurde 1943 abgebrochen, der „Leopard“ kam nie an die Front.) 1941 wurde Hacker, bisher Geschäftsführer des Sonderausschusses Panzerwagen, zum „Sonderbeauftragten für Panzerwagen“ beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition (RMfBuM) unter Fritz Todt bestellt. Der RSO war hingegen eine Erfolgsgeschichte: ab 1942 wurde der RSO als Zugmaschine für den Einsatz im unwegsamen Russland in großen Stückzahlen gebaut, sowohl in Steyr wie auch in Lizenz bei anderen Herstellern. Es gab auch Prototypen eines „Gebirgsschleppers“ (RGS), der sich durch eine geringere Breite auszeichnete; ferner wurde an der Entwicklung eines „Radschleppers Ost“ gearbeitet, allerdings ging diese Konstruktion nicht mehr in Produktion. (Vgl. auch dazu den Abschnitt „Vorläufer und Nachfolger“)

Nach Kriegsende 1945 und Entnazifizierung stellte Hacker den Amerikanern einen Traktor mit V8-Motor als Friedensprodukt von Steyr vor, wurde aber entlassen. Er ging zu Verwandten nach Australien und wollte dort mit Partnern eine Waschmaschinenproduktion aufbauen. Als dies scheiterte, kam er zurück nach Österreich und startete 1949 das Motormuli-Projekt.

Während der Besatzungszeit war in Österreich die Entwicklung jeglichen Militärgeräts verboten. So konzipierte Hacker in Wien ein ziviles kleines Schleppfahrzeug mit einem Raupenlaufwerk für die Forstwirtschaft, wobei er angeblich durch den Kontakt mit Forstwirten im Gefangenenlager auf diese Idee gebracht worden ist. Er konnte dabei seine Erfahrungen als Konstrukteur von Kettenfahrzeugen einbringen und entwickelte gemeinsam mit Dr. Ludwig Graf Lodron dieses Gerät, das dann ab 1951 unter der Bezeichnung „Motor-Muli“ (später „Motormuli“) in Molln von der Firma „Schuster, Hacker und Co. K.-G.“ produziert wurde.

Hacker selbst, der in einer Villa in der Hansi Niese-Gasse im 19. Bezirk wohnte, hielt sich zumeist im Konstruktionsbüro der Firma in Wien auf; Fahrten zum Produktionsort in Molln absolvierte er mit seinem Privatauto, einem Steyr Kommandowagen aus der Kriegsproduktion, sporadisch unter Mitnahme seiner Sekretärin.

Oskar Hacker bei einer Erprobung des Geräts

Firmenchef Dipl.-Ing. Oskar Hacker (in weiß, mit Photoapparat) im Gespräch mit einem Mitarbeiter (vermutlich Hr. Fädler von der Produktionsstätte in Molln)
Erprobung des Einsatzes zur Räumung eines Flußbetts vom Geschiebe (Hausbach in Molln); an den Lenkhebeln Hans Russmann, Mollner Motormuli-Mitarbeiter der ersten Stunde, auch bei der Firma „Alpentransport“ tätig
Motormuli des späteren Laufwerkstyps mit den großen Laufrollen, ausgerüstet mit Planierschild (Bull- und Angledozer) mit hydraulisch betätigtem Schubrahmen; auf der Ladefläche Raupenketten anderer Breite sichtbar
(Bild: Album Ing. Franz Salzner — mit Dank für die Genehmigung zur Veröffentlichung)

Spätestens gegen 1954 begannen sich ökonomische Schwierigkeiten der Firma, die inzwischen, nach Schusters Tod, „Hacker und Co. K.-G.“ hieß, deutlich abzuzeichnen; sie wurde schließlich nach Insolvenz 1955 von der Österreichischen Saurer A.G. übernommen und auch Hacker selbst wechselte zu Saurer. Bald darauf verließ er Saurer und ging zur VÖEST. Als 1961 der damalige VÖEST-Generaldirektor Hitzinger als Vorstandsvorsitzender zu Mercedes wechselte, wollte er Hacker mitnehmen; dieser Wechsel kam jedoch nicht mehr zustande, da Hacker – erst im 63. Lebensjahr stehend – plötzlich (beim Schneekehren vor seiner Villa) verstarb.

Stimmen zu Dipl.-Ing. Oskar Hacker:

Prof. Dr. Ing. h.c. Ferdinand Porsche, Ing. Günter Burstyn, Ing. Hans Ledwinka und [Dipl.-]Ing. Oskar Hacker sind Namen, auf welche Österreich stolz sein kann und die untrennbar mit der Geschichte des Kraftfahrzeugwesens verbunden bleiben werden.

Bgdr Karl F[erdinand Freiherr von] Lütgendorf,
Bundesminister für Landesverteidigung (1971–1977)

Es ist hier angebracht, auf vier Männer hinzuweisen, die zu dieser Zeit maßgeblich die Entwicklung des österreichischen Militärkraftfahrerwesens beeinflußten: Gen. d. A. [Ing.] Ludwig [Ritter von] Eimannsberger, ein Panzertheoretiker, dessen Ansichten im Zweiten Weltkrieg sowohl vom Deutschen Reich wie auch von der Sowjetunion und anderen Staaten in die Tat umgesetzt wurden; der spätere Generalmajor Ing. Rudolf Klein, der vom Leutnant bis zum General in der Kraftfahrttruppe diente; der leider viel zu früh verstorbene Dr.-Ing. Fritz Heigl, ein einmaliger Experte auf dem Gebiet der Panzerfahrzeuge, dessen „Taschenbuch der Tanks“ internationale Anerkennung fand und schließlich Dipl.-Ing. O Hacker, der als Chefingenieur der Austro-Daimler und später Steyr-Werke maßgeblich an der Entwicklung aller österreichischen Heeresfahrzeuge dieser Zeitspanne beteiligt war.

Ing. Walter J. Spielberger, Technik-Historiker

Wegen seiner überragenden technischen Fähigkeiten und vor allem wegen seiner überaus menschlichen Art wurde er für den jungen Konstrukteur Salzner so etwas wie ein zweiter Vater, mit dem er auch nach dem Ende von Motormuli eng verbunden und in persönlichem Kontakt blieb. (Sein Porträtfoto hängt noch heute im Wohnzimmer der Familie Salzner.)

Ing. Franz Salzner, Motormuli-Mitarbeiter 1949–1955
(Gesprächsnotiz von Dipl.-Ing. A. Staufer)

Oskar Hacker

Namensvarianten:

Oskar Johann Hacker (Taufbucheintrag)
Oskar Hans Hacker
Oskar H. Hacker
Oscar Hacker („Bison“-Patentanmeldungen)


Quellen:
Martin Pfundner: Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion. Verlag Böhlau Wien, 2007.
Michael Winninger: Das Nibelungenwerk 1938 bis 1945 - Panzerfahrzeuge aus St. Valentin. Sutton Verlag, 2009, Sutton Reprint 2017.
Bilddokumentation der Stadtgemeinde St. Valentin „Das Nibelungenwerk 1939–1945“.
Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945. Akad. Verlag, Berlin 1969.
Wolfram Pyta u.a.: Porsche – Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke. Siedler Verlag, München 2017.
Zeitzeugen-Interviews durch Dipl.-Ing. Adolf Staufer †, fortgeführt von Prof. Peter Mulacz
Porträt Dipl.-Ing. Oskar Hacker von der Website steyrerpioniere
Fotoalbum Ing. Franz Salzner

© Prof. Peter Mulacz