Oskar Hacker hatte immer schon große Aufmerksamkeit der Komponente „Getriebe“ gewidmet; bereits in seiner Jugend hatte er (beim BISON-Motorrad) ein Getriebe mit Kulissenschaltung entworfen, was im Motorradbau recht ungewöhnlich ist, denn dort beherrscht sonst die Segmentschaltung das Feld, bei der die Gänge in auf- oder absteigender Reihenfolge nacheinander geschaltet werden müssen.

Sein ganz besonderes Interesse bei der Konstruktion eines Schaltgetriebes – man mag es auch eine seiner Lieblingsideen nennen – lag jedoch beim stufenlosen Getriebe. Für solche erhielt er auch einige Patente.

Getriebe-Patente

Auch für das Motormuli hat er zunächst ein solches stufenloses Getriebe vorgesehen gehabt, und zwar ein Reibungsgetriebe:

Ein Rad läuft in einer rotierenden halben Hohlkugel, je nach der Höhe, auf der sich das Rad bewegt (nahe dem Zentrum oder nahe der Peripherie) ergibt sich eine unterschiedliche Weglänge und dadurch eine entsprechende unterschiedliche Geschwindigkeit, mit der das Rad mitgenommen wird, somit eine stufenlos variable Übersetzung.

Die Idee hat sich aufgrund der großen auftretenden Drücke mit den damals vorhandenen Materialien nicht realisieren lassen. Ing. Salzner drückt das in einem Zeitzeugen-Interview wie folgt aus:

… das haben wir mit einem stufenlosen Konusgetriebe probiert. Das war eine furchtbare Pleite natürlich, damals hat es ja auch noch keine Materialien in der Art gegeben, die die Anpreßdrucke am Kegel ausgehalten hätten. Wie es einmal durchgerutscht ist, war es aus. War der Kegel kaputt.

Somit mußte, nachdem mit diesen Versuchen einiges Geld in den Sand gesetzt worden war, diese Idee, so bestechend sie auch in der Theorie war, begraben werden.

Also konstruierte Hacker sodann wiederum konventionelle Getriebe, mit Zahnrädern, die miteinander im Eingriff stehen und den Kraftfluß bewerkstelligen.

Ein Räderfahrzeug wird bei Kurvenfahrt durch die Auslenkung der Vorderräder in seine Spur gezwungen; von den Antriebsrädern hat das kurvenäußere eine längere Wegstrecke zu überwinden und muß daher schneller laufen, das kurveninnere umgekehrt, was – für die Räder beider Seiten kraftschlüssig – durch das Differential (Ausgleichsgetriebe) bewerkstelligt wird (wie das ein jeder Führerscheinbesitzer einmal in der Fahrschule gelernt hat). Die Räder drehen in der Kurve unterschiedlich schnell, aber mit gleicher Vortriebskraft. – Auch bei einer Marschformation (z. B. Militär, Blasmusik, Trachtengruppen) tritt bei Richtungsänderungen ein analoger Effekt auf: die kurveninneren Personen müssen kurz treten, vielleicht sogar auf der Stelle, die äußeren hingegen schreiten kräftig aus.

Analog zu der unterschiedlichen Umlaufgeschwindigkeit der Antriebsräder bei einem Räderfahrzeug legen auch bei einem Kettenfahrzeug, das ja über keine Lenkräder verfügt, die Gleisketten bei Kurvenfahrt beiderseits unterschiedliche Weglängen zurück, indem die äußere Kette schneller läuft als die innere.

Wenn dieser Geschwindigkeitsunterschied einfach dadurch bewerkstelligt wird, daß die innere Kette abgebremst wird, wird Energie vernichtet, es kommt also nur weniger Antriebskraft in Kontakt mit dem Boden. Da bei Kettenfahrzeugen mit Lenkkupplung und Lenkbremse in Kurven eben nur die Zugkraft der nicht entkuppelten und abgebremsten Raupe zur Verfügung steht, bedeutet dies auf schwierigen Steilstrecken eine empfindliche Einbuße an Zugkraft.

Hacker hat sich mit dieser Situation nicht zufrieden gegeben, er wollte keinen Verlust akzeptieren, sondern die volle Leistung auch bei Kurvenfahrt verfügbar haben. Dazu konstruierte er ein spezielles Getriebe, dessen Herzstück, wie beim Differential eines Autos, ein Kegelrad-Planetengetriebe ist, bei dem die Differenz der kurvenäußeren und -inneren Weglängen durch die gegenläufigen Zentralräder des Differentials abgerollt wird, sodaß stets die volle Antriebsleistung auf die Ketten gelangt: wird einer der beiden Abtriebe gebremst, so beschleunigt sich aufgrund des Ausgleichs der andere entsprechend, sodaß das Fahrzeug eine Kurve fährt.

Das war Hacker nicht genug: er baute zwischen Motor und Fahrgetriebe auch ein Wendegetriebe ein, das er als „narrensicher“ bezeichnete, weil es ohne Gangwechsel die Umkehr der Fahrtrichtung ermöglichte, wodurch auch bei Rückwärtsfahrt alle drei Gangstufen des Fahrgetriebes zur Verfügung standen und das Motormuli somit genauso schnell rückwärts wie vorwärts fahren konnte. Dieses Wendegetriebe bestand aus einem Kegelradplanetengetriebe, einer Kupplung und einer Bremse. Für die Vorwärtsfahrt ist das Wendegetriebe durch die Kupplung gesperrt und der Kraftfluß erfolgt vom Motor direkt zum Getriebe; für die Rückwärtsfahrt wird bei gelöster Kupplung das Planetengehäuse festgebremst und die Drehrichtung der Antriebswelle dadurch umgekehrt. Die Betätigung der Kupplung und der Bremse durch einen einzigen Hebel erlaubt flottes Arbeiten bei häufigem Wechsel von Vorwärts- und Rückwärtsfahrt ohne das sonst übliche Schalten von Zahnrädern für den Rückwärtsgang.

Als Fahrgetriebe ist für jede Raupenkette ein Planetengetriebe mit Vorwählschaltung ohne Kupplung vorgesehen, das Hacker ebenfalls als „narrensicher“ bezeichnet.

Bei der Geradeausfahrt sind beide Getriebe durch die zugehörigen Schalthebel auf den gleichen Gang geschaltet. Zum Fahren einer Kurve wird die innere Raupe auf den nächsten oder zweit-nächsten Gang zurückgeschaltet (Raupenlenkung, Differenzlenkung); dadurch werden drei feste Lenkübersetzungen im Getriebe gebildet. Beide Raupen laufen dabei mit verschiedener Geschwindigkeit, aber permanent kraftschlüssig, wodurch sie ihre volle Zugleistung beibehalten. Durch den positiven Lenkantrieb für beide Raupen können drei verschiedene Kurvenradien befahren werden (allerdings nur diskrete Kurvenradien mit fest geschalteten Getriebeelementen, während allfällige Zwischenradien durch verlustbehaftetes Rutschen eines Lenkorgans erreicht werden müssen). Diese sichere Lenkmethode, die ohne Unterbrechung oder Verminderung der Zugkraft arbeitet, ist für schwierige Fahrsituationen im Gebirge von besonders großer Bedeutung. Ein vierter Lenkradius – Wenden auf der Stelle – kann in der üblichen Weise durch Leerlauf eines Getriebes und Anziehen der zugehörigen Lenkbremse erzielt werden.

Dreigang-Getriebe

Diese schematische Skizze von Ing. Franz Mayr veranschaulicht den Kraftfluß im Dreigang-Vorwahlgetriebe; deutlich sind auch die Kegelräder des Ausgleichs erkennbar

Zusammenfassend: die Motormuli-Typen M 25 und M 60 waren mit einem Wendegetriebe und zwei Planetengetrieben mit je drei Vorwärts- und drei Rückwärtsgängen mit Vorwählschaltung ausgerüstet. Außerdem war gegen Aufpreis ein zusätzliches, zweigängiges Schnellgang-Getriebe erhältlich.

So genial (und potentiell zukunftsweisend) diese gesamte Konstruktion war, war sie aufgrund ihrer hohen Komplexität ein permanentes „Problemkind“. Allein die Tatsache, daß das Planetengetriebe 64 Kugellager besaß, zeigt, wie komplex es aufgebaut war – kein Wunder, daß nur zwei der Mechaniker es bei diesem Getriebe zu Expertenstatus brachten: Josef „Pepi“ Marek und (Vater) Lausecker.

Es kam, wie es kommen mußte: aufgrund der vielen Probleme war der Bau von Motormulis mit diesem an sich weit überlegenen Getriebe ökonomisch nicht mehr haltbar; Hacker mußte sich entschließen, auch von dieser Idee Abstand zu nehmen. Die weiteren Motormulis (Teile der Serie M 60 sowie die Typen M 70, M 80 und M 100) wurden „konventionell“ gebaut: als Schaltgetriebe diente das Getriebe des Steyr-LKW 380 (Steyr Fünfganggetriebe: fünf Vorwärtsgänge, ein Rückwärtsgang) und die Lenkung erfolgte, wie bei anderen Kettenfahrzeugen, als „Kupplungs-Brems-Lenkgetriebe“ durch die Kombination von Lenkkupplungen und Lenkbremsen für jede Kette. Die Lenkkupplungen waren als Handhebel ausgeführt, die Lenkbremsen, pedalbetätigt für jede Kette, als Außenbackenbremsen an der Treibachse.

Der Arbeitsplatz des Lenkers stellt sich bei diesen späteren Versionen – von den früheren sind keine Abbildungen bekannt – wie folgt dar:









Lenkerplatz

M 60, Privatbesitz

Li Seilwinde, Feststellbremse, Mitte 2 x Handhebel für die Lenkkupplungen (li bzw. re Kette), daneben, nahe dem Armaturenbrett, der Hebel für das Handgas

Rechts, im Ausschnitt der Motorverkleidung, der Schalthebel für die Gangschaltung

Nicht im Bild ist der Umstellhebel des Kraftflusses von Vortrieb auf Seilwinde


Lenkerplatz

M 80, HGM

Li Seilwinde, Feststellbremse, Mitte 2 x Handhebel für die Lenkkupplungen (li bzw. re Kette), daneben der Hebel für das Handgas

Nicht im Bild sind der Schalthebel für die Gangschaltung sowie der Umstellhebel des Kraftflusses von Vortrieb auf Seilwinde



Lenkerplatz

M 80 mit Spezialaufbau (Personentransporter ohne Seilwinde), Postbus

2 x Handhebel für die Lenkkupplungen (li bzw. re Kette)

Rechts, an der Motorverkleidung, der Hebel für das Handgas, dahinter der Hebel für die Feststellbremse

Nicht im Bild ist der Schalthebel für die Gangschaltung


Fußraum: v.l.n.r.: Pedal für die Lenkbremse der linken Kette, Kupplungspedal für das Schaltgetriebe, Pedal für die Lenkbremse der rechten Kette (Photos © Mulacz)


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