Eröffnungsrede des Vereinsobmannes Dipl. Ing. Adolf Staufer
anlässlich der Ausstellungseröffnung am 4. Mai 2003
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wie schon bisher in jedem Jahr haben wir uns auch heuer wieder bemüht,
neben der Verbesserung der bestehenden Ausstellungsteile ein neues Thema
aufzugreifen. Unser Hauptthema der heurigen Sonderausstellungen ist dem Jahr der
Bibel gewidmet und steht unter dem Leitmotiv "Die Bibel in Molln".
Wir haben diese Ausstellung zweiteilig aufgebaut. Über Anregung des kath.
Bildungswerkes werden im ersten Teil Bibeln und religiöse Literatur
gezeigt, die in Mollner Familien vorhanden sind und so ein Bild von der
Tradition des Volksglaubens vermitteln. Dieser hat sich über die Zeit hin
in seiner Erscheinungsform zwar stark verändert, die Vergangenheit prägt
aber noch immer unser Denken und Verhalten. Nicht alles aber, was rund um
Glauben und Religion in Molln geschehen ist, war uns bis heute bekannt
geworden. Vor allem mit diesen bisher weitgehend unbekannten Ereignissen
beschäftigt sich der zweite Teil unserer Ausstellung.
Die Bibel selbst ist ihrer äußeren Form nach eigentlich eine
biblische Geschichte, welche den Weg des Volkes Israel durch die Jahrhunderte
nachzeichnet. Dieser Weg ist durchaus nicht gerade und eben, er führt
oftmals auch in die Irre. Selbst die Propheten und Apostel sind als berufene
Verkünder des Wortes Gottes oftmals ihren Schwächen und Verfehlungen
ausgeliefert. Aber durch die Schilderung von erlittenem und getanem Unrecht
hindurch, oder gerade auch durch sie wird das Wort Gottes verkündet, wird
den Menschen nahe gebracht, was sie bei der Gestaltung ihres Lebens tun oder
meiden sollten. Das Bekenntnis einer Weltreligion ist durch die geschichtlichen
Darstellungen der Bibel in der realen Welt verankert.
Wenn wir uns nun bemüht haben, den Weg unserer Heimatgemeinde durch die
Jahrhunderte unter dem Zeichen des Kreuzes nachzuzeichnen, so folgen wir darin
der Form und der Absicht nach dem Vorbild der Bibel. Die ehrliche Auseinandersetzung
mit der Geschichte unseres Heimatortes soll uns helfen, Irrwege im eigenen
Leben zu vermeiden. Es wurden zu diesem Zweck sämtliche im o.ö.
Landesarchiv aufgefundenen, das Thema betreffende Dokumente - etwa 140 an der
Zahl mit insgesamt 468 Originalseiten - wörtlich abgeschrieben und in einen
Sinnzusammenhang gebracht. Dabei zeigte sich, dass auch in Molln der Weg durch
die Zeit oft krumm war und in die Irre führte.
Der ersten urkundlichen Erwähnung einer Kirche in Molln im Jahre 1241
folgt eine für das einfache Volk düstere Zeit mit verheerenden Seuchen,
schwerer Not, Rechtlosigkeit und Unterdrückung. Zum Beginn der Neuzeit sehen
wir, nicht zuletzt wegen dieser Verhältnisse, die Zuwendung zum reformierten
Glaubensweg Martin Luthers, der innerhalb weniger Jahrzehnte auch von den Menschen
in unserer Gemeinde gewählt wurde.
Wir erkennen die Auswirkungen der Kirchenspaltung, die ja nicht nur eine welt- und
kirchengeschichtliche Dimension hat, sondern auch eine zutiefst menschliche. Der
Augsburger Religionsfriede von 1555 hatte den Landesfürsten das Recht
eingeräumt, die Religion ihrer Untertanen zu bestimmen. In den österreichischen
Erblanden der Habsburger führte dies zur so genannten Gegenreformation, die etwa
ab 1570 mit zunehmendem Druck die Rückführung zur katholischen Kirche, oder
im Falle der Weigerung die Landesverweisung betrieb. Die aufgearbeiteten Dokumente
belegen, dass die Gegenreformation in Molln auf den erbitterten und nachhaltigen
Widerstand der Bevölkerung stieß, der erst im Jahre 1633 durch den Einsatz
von insgesamt 600 Soldaten gebrochen wurde. Wer sich damals nicht fügte, wurde
aus dem Land gejagt. "Die Soldaten sind die besten Reformatores", so
beschreibt der Rentmeister der Herrschaft Steyr, der die Aktion befehligte, zynisch
den Weg zu diesem zweifelhaften Erfolg.
Am Ende dieses Geschehens steht zwar in Molln eine zumindest dem öffentlichen
Bekenntnis nach vollkommen katholische Bevölkerung, aber auch unvorstellbares Elend.
Die verursachten Gewissensnöte sind in Dokumenten nicht darstellbar und bleiben
so im Dunkel der Geschichte verborgen.
Aber die katholische Kirche hatte aus dem Irrweg der Vergangenheit gelernt und
besonders im Konzil von Trient viele echte Reformen angebahnt, die sie auch ohne
staatlichen Zwang bei den Menschen wieder glaubwürdig machte. Sie bot ihnen
wieder jenen seelischen Beistand, den sie suchten und sie half ihnen auch in ihrer
materiellen Not. Der absolutistische Staat kümmerte sich nicht um die
Wohlfahrt der Bürger, an seiner Stelle übernahm die Kirche die Aufgaben
von Caritas und Fürsorge für die Bedürftigen.
Als Kaiser Josef II. 1781 mit dem Toleranzedikt auch von Seiten des Staates den
unwürdigen Zustand des Gewissenszwanges beendete, fand sich in Molln, anders
als in den Nachbarpfarren Leonstein und Steinbach kein einziger Evangelischer mehr.
Viel Wasser ist inzwischen die Steyr hinunter geflossen und vieles hat sich
verändert. Aber Intoleranz, Verfolgung Andersdenkender und mangelnde Bereitschaft,
sich mit der Überzeugung anderer offen auseinanderzusetzen, existieren noch
immer. Wir sollten uns davor hüten, über das Geschehen in der Vergangenheit
in selbstgerechter Art den Stab zu brechen, zumal da wir erkennen müssen, dass wir
allzu oft nicht einmal die Kraft zu einer ehrlichen Selbstkritik aufbringen.
Eine Erfahrung aus jüngster Zeit macht es mir leicht, meine Gedanken dazu mit
einem Lichtblick abzuschließen. Obwohl aus der Kirche ausgetreten, bin ich
Abonnent der Linzer Kirchenzeitung, weil diese Zeitung so ehrlich und mutig wie keine
andere Lebensfragen behandelt, die auch mir wichtig sind. In der Ausgabe vom letzen
Mittwoch widmet der Chefredakteur seinen Leitartikel unter dem Titel "Tod einer
Muntermacherin" dem Ableben der evangelischen Theologin Dorothee Sölle.
Gleich darunter kann man unter "Türen aufmachen" einen Beitrag über
den ehemaligen Superintendenten der methodistischen Kirche Helmut Nausner lesen, der
zum Präsidenten des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische
Zusammenarbeit gewählt wurde. Ich sehe darin ermutigende Zeichen eines Geistes,
der durch die Kirche von heute weht, auch wenn er noch nicht überall spürbar
ist. Dies drückt auch der letzte Absatz des Leitartikels über Dorothee
Sölle aus, mit dem auch ich meine Ausführungen beenden möchte:
"Glaube nährt sich nicht nur aus amtlichen Formulierungen, Enzykliken oder
Konzilsdokumenten. Selbst die Glaubenssätze, wie sie seit den Aposteln
überliefert werden, bedürfen der ständigen Übersetzung in die Sprache
des je eigenen Lebens - und in die Gesellschaft hinein. Dorothee Sölles Leser
und Leserinnen fragen nicht, ist sie nun evangelisch oder katholisch? Ihre Schriften
sprechen eine andere Dimension an. Texte mit Verstand, die zu Herzen gehen. "Gott
und das Glück" war nicht nur ihr letztes Thema. Sie wollte nicht, dass Menschen
dieses Glück leichtsinnig aus den Augen verlieren."
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